Tayfun Belgin, Direktor des Osthaus Museums Hagen
Bilder im Widerstreit
Anmerkungen zur Kunst von Wolfgang Dieter Bauer
Irgendwo in North Carolina liegt die Kleinstadt Lumberton. Klickt man sich im Netz ein, so begegnet einem eine Welt, die für einen Filmregisseur wie David Lynch und seinen unheimlichen Film Blue Velvet wie geschaffen war. Die offizielle Website bietet den Interessierten ein harmonisches Eingangsbild mit Einfamilienhaus, junger Familie sowie zwei Kindern, die im Vorgarten auf ihre Eltern zulaufen- ein heile Welt. Diese Idylle dieser All-America City (Originalton der Website) darf selbstverständlich nicht gestört werden, denn hier geht es den Verantwortlichen der Stadt um „best quality of life achievable“, also um so etwas wie „bester Lebensqualität“, was immer dies auch sein mag. Wäre diese Information aus dem Netz nicht existent, so müsste man sie wahrlich erfinden. Und sie wirkt, auch wenn sie mit dem, was wir Europäer als Realität empfinden, nicht viel gemein hat.
Solche wirklichen und zugleich unwirklichen Bilder interessieren Wolfgang Dieter Bauer, der nicht nur sich selbst, sondern auch seine Akteure gerne in virtuelle Swimmingpools schickt. Eine seiner Bildfolgen, eben Lumberton, kann durchaus als Metapher für eine künstliche Welt verstanden werden. Das Element Wasser spielt hierbei eine nicht unbedeutende Rolle, ist es doch immer auch ein Hinweis für die Durchsichtigkeit dieser unwirklich wirkenden Welt. Wie in seinen Bildern der Bildfolge Luxury umgibt Wasser (Swimmingpools, Motorjachten) die Welt der Wohlhabenden und der Sorglosen. Die Teilnehmer in diesen Bildwelten träumen, so scheint es, in ihre Tatenlosigkeit hinein. Daher gilt es zu fragen, ob sie ihre Handlungen wirklich selbst gestalten oder lediglich zum Handeln gezwungen sind.
Der Maler Wolfgang Dieter Bauer ist ein Künstler des 21. Jahrhunderts – ohne Zweifel. Er bearbeitet selbst aufgenommene oder vorgefundene Fotografien aus der Werbung am Computer und transferiert diese Szenen in die konservative Welt der Malerei. Sein malerisches Können, sein Handwerk, erlaubt es ihm, ausgewählte Situationen in Szene zu setzen, wie ein Filmregisseur, der Erlebtes und Erträumtes in schlüssige Sequenzen einbringt. Doch ist von Wolfgang Dieter Bauer keine Romantik zu erwarten, eine erträumte, womöglich harmonische Welt. Er bevorzugt einen harten Duktus. Kein Weichzeichner, keine Mildheit in der Darstellung. Vor allem nicht bei denjenigen Szenen, die sich dem luxuriösen Leben widmen. Die Akteure erfahren keine Gnade, ihr tristes Leben wird ihnen in diesen Bildern gegengespiegelt. So ist es für den Maler evident, dass er ein Bild mit dem Titel „Sound of Silence“ malt, mit einer Dustin Hoffmann ähnlichen Figur, die gelangweilt auf einer Motorjacht sich sonnt. Jener Song ist die Titelmelodie des von Mike Nichols 1967 gedrehten Film „Reifeprüfung“ (The Graduate), dessen Gesellschaftskritik sich auf das Leben des amerikanischen Establishments bezieht. Familien, die mehrere Automobile, Häuser, Swimmingpools, gewinnabwerfende Wertpapiere ihr Eigen nennen und deren Realität sich auf den reinen Materialismus bezieht. Selbstverständlich geht für den Maler – wie auch für uns – eine Faszination für die „Leading Hotels of the World“ aus, denn: Wer möchte nicht sein 3-Sterne-Quartier mit solch einem der Oberklasse tauschen? Doch – und diese Frage stellt sich Wolfgang Dieter Bauer – was hat das alles mit meiner Realität, meiner Wahrheit zu tun? Ist es überhaupt erstrebenswert, sich in diese glitzernde Gucci-Welt einzufinden?